Samariterstiftung

Samariterstiftung

Von: Stefanie Palm

Inhaltsverzeichnis
  1. 1: Die Anfänge der späteren Samariterstiftung mit Sitz in Nürtingen als Beispiel der pietistisch geprägten Wohltätigkeits-Netzwerke im Königreich Württemberg
  2. 2: Vom „Magdalenen-Verein“ Stuttgart über die „Rettungsanstalt für ältere Mädchen evangelischer Confession“ mit „Versorgunghaus für Invaliden der Rettungsanstalt Leonberg“ zu den „Fürsorgeheime für evangelische schulentlassene Mädchen
  3. 2.1: Chronologie der Heime und Einrichtungen bis 1975
  4. 3: Vom Verein für die „Versorgung krüppelhafter und gebrechlicher Leute“ zum „Samariter-Verein“
  5. 3.1: Chronologie der Heime und Einrichtungen bis 1975
  6. 4: Exkurs: Die Fusion 1975
  7. Archivische Quellen zur Samariterstiftung
  8. Anhang

1: Die Anfänge der späteren Samariterstiftung mit Sitz in Nürtingen als Beispiel der pietistisch geprägten Wohltätigkeits-Netzwerke im Königreich Württemberg

Zum Verständnis der Geschichte der Samariterstiftung gilt es zunächst zu verstehen, dass es sich dabei um zwei verschiedene Überlieferungsstränge handelt, da die Samariterstiftung mit Sitz in Nürtingen erst seit dem 1. Januar 1975 besteht. Damals fusionierten die beiden diakonischen Werke „Fürsorgeheime für evangelische schulentlassene Mädchen in Leonberg und Oberensingen“ und die „Samariterstiftung mit Sitz in Stuttgart“.

Jahrhundertelang hatten sich die Städte und Gemeinden um die Armen, Kranken, Waisen und sonstigen Bedürftigen gekümmert. Doch seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass dieses System nicht mehr ausreichte, die immer größer werdende Zahl der Hilfsbedürftigen auch nur halbwegs zu versorgen.

1823 erfolgte ein „Aufruf zur Fürsorge für vernachlässigte Kinder“ durch die Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins in Württemberg. Man warb dafür, die Kinder in zu gründenden Erziehungsheimen vor dem schadhaften Einfluss von Erwachsenen in den Armenhäusern und Hospitälern zu schützen. So hatten sie die Chance gute, fleißige, arbeitssame, christliche Untertanen zu werden. Die Lücke zwischen gemeindlicher Armenfürsorge und Staat sollten staatlich „kontrollierbare“ Vereine füllen. In der Folge entstanden eine Kinderkrippe, ein Rettungshaus nach dem anderen.

2: Vom „Magdalenen-Verein“ Stuttgart über die „Rettungsanstalt für ältere Mädchen evangelischer Confession“ mit „Versorgunghaus für Invaliden der Rettungsanstalt Leonberg“ zu den „Fürsorgeheime für evangelische schulentlassene Mädchen

Die Gründung in der Tradition der „Magdalenen-Vereine“ geht auf einen 1868 erfolgten „Hilferuf zur Rettung aus sittlicher Not“ für junge Prostituierte von Stuttgarter Pfarrern zurück. Die Gründerinnen und Gründer waren: Herr Oberst von Hügel(1), Herr Ober-Reg.-R. von Clausnitzer(2), Herr Helfer Schmid, Herr Pfarrer Hoffmann (Diakon. Anst. Stuttgart)(3), Herr Kaufmann Rominger(4), Herr Klonzinger, Frau von Palmenstein, Frau Buchhändler Krabbe(5), Frau Professor Auberlen(6), Frl. Hitzlin und Frl. Schaufler.

Die praktische Arbeit fand ihre Umsetzung zunächst im Katharinenhospital in Stuttgart. Dort kümmerten sich die Mitglieder des Vereins um junge Frauen mit Syphilis.

Die Suche nach einem eigenen geeigneten Gebäude für die „Rettungsanstalt“ wurde Gottlieb Scholl (1803-1873)(7), einem ehemaligen Apotheker in Leonberg und nun Privatier in Stuttgart, anvertraut. Er war seit 1849 (-1873) unbezahlter Vorstand der Stuttgarter Evangelischen Gesellschaft und verfügte über die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse sowie ein gutes Netzwerk. Da zunächst noch eine eigenes „Rettungshaus“ fehlte, wurden die ersten jungen Frauen in einer schon bestehenden Einrichtung in Boppard am Rhein untergebracht.

Die Finanzierung der Unterbringung war insofern gesichert, als, entsprechend der württembergischen Armenordnung, die jeweiligen Heimatgemeinden der jungen Frauen ein Tagegeld übernahmen.

Am 25.04.1870 konnte in Leonberg ein landwirtschaftliches Anwesen gekauft werden. Das Haus erhielt den Namen Magdalenium. Der Stuttgarter „Magdalenen-Verein“ tat sich mit dem Stuttgarter „Verein für entlassene Strafgefangene“ zusammen und bildete den neuen „Verein für Gründung einer Rettungsanstalt für ältere Mädchen evangelischer Confession“.

Die Leitung lag in den Händen von Luise Josenhans. Sie hatte bis dahin das evangelische Mädchenheim des „Vereins zur Fürsorge für Fabrikarbeiterinnen“ in der Ludwigstraße 15 in Stuttgart geleitet.

Das Ziel war, denen zu helfen, die Hilfe und „Rettung“ wollten. Die jungen Frauen konnten nur aus eigenem Antrieb heraus der Anstalt beitreten. Es wurde immer wieder geprüft, ob sie eine Änderung ihres Lebensweges aktiv mitgestalteten. Dieser Weg zeichnete sich durch vorgelebten und praktizierten Glauben und praktische Arbeit aus. Wer sich nur versorgen lassen wollte, fand keine Aufnahme.

Der Leonberger Ortsausschuss des Vereins bestand 1877 aus: Herrn Rotgerber Josenhans(8), Herrn Stadtgeometer Giek, Herrn Kaufmann Hager(9), Frau Oberamtsrichter Belser(10), Frau Pfarrer Hager und Frau Nüssle. Bei näherer Betrachtung der Vereinsmitglieder zeigt sich die gute und breite Vernetzung der Personen. Es waren keineswegs zufällige Konstellationen. Durch ihr jeweiliges Netzwerk sorgten die Mitglieder für eine sichere Verankerung des Vereins im wohltätigen Spektrum der Region. Dies zeigt sich auch in späteren Ausschusslisten.

Mitglieder des Stuttgarter Ausschusses 1881 waren(11): H. Stadtpfarrer Reiff,(12) H. Regierungsrath Clausnizer, H. Pfarrer Hoffmann vom Diakonissenhaus, H. Oberst v. Hügel, H. Privatier Clunzinger, H. Möhringer, H. Helfer Öhler(13), Frau v. Pellmanstein, Frau Postrath Heens, Fräulein Schauffler, Rosalie Scheck, Hausmutter, Herr Gottlob Blauhans.

Mitglieder des Ortsausschusses 1900 waren(14)Keeser(15), Wanner, Leypoldt, Vollmer, Mitschele, Arnold, Roth, Schw. Margarethe.

Nachdem die Hausmutter Luise Josenhans und weitere Helferinnen 1880 an Typhus erkrankten, übernahmen übergangsweise die Vorstandsdamen die täglichen Aufgaben einer Hausmutter. Um eine dauerhafte Lösung zu erhalten, wandte sich Pfarrer Hoffmann an seinen Arbeitgeber, das Stuttgarter Diakonissenhaus.

Die ersten Diakonissen waren Schwester Margarete Gonser und Schwester Mina Wörner. Sie wurden sehr zurückhaltend aufgenommen. Das Berufsbild der Diakonisse – der unverheirateten, ausgebildeten Frau – war damals noch ganz neu in Württemberg. Sowohl die Bewohnerinnen als auch die Helferinnen und manche aus dem Ortsausschuss wussten nicht so recht, was sie von den Diakonissen halten sollten. Die Hausmutterstelle hatte die Diakonisse Rosalie Schick (Scheck) von 1881 bis ca. 1890 inne.

1883 trennte man sich wieder vom „Verein für entlassene Strafgefangene“. Der Sitz des Vereins bleib in Stuttgart und das Heim und der Verein erhielten offiziell den Namen „Rettungsanstalt für ältere Mädchen evangelischer Confession.“

Die Arbeit der jungen Frauen bestand aus der Versorgung der eigenen Landwirtschaft (bis auf das Säen und Pflügen), dazu erledigten sie Wasch-, Näh- und Stickarbeiten für Leonberger Haushalte. Mit den Einnahmen konnten das Rettungshaus und seine Landwirtschaft stetig erweitert werden. Nach wie vor bestand das Ziel der Aufnahme darin, die jungen Frauen „in den Stand zu setzen, als brauchbare Glieder in die bürgerliche Gesellschaft zurückzukehren.“ Für manche junge Frauen mit schweren körperlichen und zum Teil geistigen Einschränkungen kam dieses Ziel jedoch eigentlich nicht in Frage. Um ihnen eine Perspektive bieten zu können wurde der Plan entwickelt, ein „Versorgungshaus für Invaliden der Rettungsanstalt Leonberg“ zu gründen.

 

Aus dem Protokollbuch vom 11. September 1903 (16)

Anwesend: Keeser, Falch, Seyboldt, Wanner, Helbling, Wurm, Dölker, Vollmer, Hirtlin, Schw. Margarete, Schw. Friedericke

5.) Mitteilungen über Oberensingen:

Als Name ist vorgeschlagen: Zufluchtshaus für Frauen und Mädchen; Zu Insassen sollen aufgenommen werden: a) dauernd für das Leben Untaugliche; b) solche die vorübergehend heimat u. stellenlos Aufenthalt suchen; c) ev. Trinkerinnen

Als Schwestern hier gewählt: Schw. Friedricke Stock, (libher in Leonberg) u. Schwester Wilhelmine Silber

Als Haus wurde schließlich das obere Schloß, genannt „Schlößle“ in Oberensingen bei Nürtingen gefunden und gekauft. Am 26. Oktober 1903 konnte es unter der Leitung von Schwester Friederike Stock eröffnet werden. Sie stand dem Haus 37 lang vor. Schwester Margarethe Gonser bleib weitere 33 Jahre, bis 1936, in Leonberg.

Am 25. Oktober 1925 erfolgte die zeitgemäße Neubenennung der Häuser in „Fürsorgeheime“ und ab 1928 führte man den Namen „Fürsorgeheime für evangelische schulentlassene Mädchen in Leonberg und Oberensingen.“

2.1: Chronologie der Heime und Einrichtungen bis 1975

1869 Kauf und Renovierung eines Gebäudes in Leonberg, Magdalenium genannt

1871 Bezug durch Mädchen und Frauen, Hausmutter wird Luise Josenhans

1880 Diakonissen aus Stuttgart übernehme die Leitung

1900 Aufgrund von Platzbedarf erfolgt der Kauf und Umbau des Oberen Schlosses „Schlößle“, Stuttgarter Straße 62 in  Oberensingen bei Nürtingen

1903 Einzug ins „Schlößle“, Erweiterungsbauten folgen 1914 und 1927

1940 Das Leonberger Heim wird von der NSDAP beschlagnahmt. Alle Heimbewohnerinnen werden im Heim in Oberensingen untergebracht.

1940 Ein Teil des Heims in Oberensingen muss der HJ übergeben werden. Einige Bewohnerinnen des Heims in Oberensingen können im „Jäger´schen Schlösschen“ in Neuffen untergebracht werden.

1945 Die jungen Frauen aus Neuffen können ins Heim in Oberensingen zurückkehren

1946/47 Rückerwerb des Heims in Leonberg und Wiederaufbau des Altenheims Leonberg, Seestraße unter der Leitung von Diakonisse Katharina Mühleisen

1948 Bau des Evangelischen Altenheimes Leonberg (das heutige Samariterstift Leonberg)

1951 Die Namen Margaretenheim, für das Heim in Leonberg und Friederikenheim, für das Heim in Oberensingen, nach den ersten Heimleiterinnen der Häuser, werden offiziell gemacht

1954 Auflösung des Altenheims in Neuffen und Umzug der Bewohner ins neue Dr. Vöhringer-Heim

1954/55 Das Alten- und Pflegeheim Dr. Vöhringer in Oberensingen nimmt den Betrieb auf. Getreu dem Motto von Dr. Vöhringer hat dort jeder alte Mensch ein eigenes Zimmer.

Bis 1956 Bau eines Altenheimes mit 300 Plätzen in Leonberg.

1956 Der Gutshof Friedrichshof bei Obersulm, Kreis Heilbronn wird erworben

1958 Der Friedrichshof wird als Mädchenheim bzw. „Heim für milieugeschädigte, erziehungsschwierige junge Mädchen“ geführt.

1958 Das Dr. Vöhringer-Heim erhält einen Erweiterungsbau mit Pflegeabteilung und Zimmer für Ehepaare

1962 Gründunge der ersten Altenpflegeschule Württembergs in Oberensingen. Diese wird 1973 nach Tübingen verlegt

1961 Auf dem Gelände des Friedrichshofes wird das erste Pflegeheim der BRD für alte Menschen mit psychischen Erkrankungen eingeweiht

1962 Die Zentralverwaltung der Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen kommt nach Nürtingen-Oberensingen, Schloßweg 3

1963 Ende des Margaretenheims in Leonberg nach 94 Jahren. Das Grundstück wird verkauft. Dafür können Grundstücke am neuen Altenheim für künftige Baumaßnahmen erworben werden

1963 Die Landwirtschaft in Oberensingen wird stark reduziert und ab 1969 verpachtet

1966 Das Mädchenheim Friedrichshof erhält Neubauten

1970 Der Ausbau des Altenpflegeheimes Friedrichshof erfolgt

1972 In Tübingen wird ein Alten- und Pflegeheim mit Altenpflegeschule errichtet

1975 Fusion der zwei diakonischen Werke zur Samariterstiftung mit Sitz in Nürtingen-Oberensingen am 1. Januar

3: Vom Verein für die „Versorgung krüppelhafter und gebrechlicher Leute“ zum „Samariter-Verein“

Der Verein für die „Versorgung krüppelhafter und gebrechlicher Leute“ mit Sitz in Stuttgart entstand ebenfalls gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Er war eine Initiative von Stuttgarter Kaufleuten, Pfarrern und Fabrikanten, die sich um gelähmte, verkrüppelte, blinde und amputierte Menschen kümmern wollten. Viele der „Gründer“ gehörten dem damaligen Beziehungs-Netzwerk in und um Stuttgart an. Ein Ausgangpunkt des Netzwerkes war die Stuttgarter Privatanstalt freiwilliger Armenfreunde und der Donnerstags-Kranz.

Am 31. März 1885 fand die konstituierende Mitgliederversammlung in Stuttgart statt. Als Versammlungsleiter wurde der 2. Stuttgarter Stadtpfarrer Richard Lauxmann(17) gewählt. Als Ort wird das „Vereinsgasthaus“ genannt. „Auf Einladung des Herrn Kaufmans J.G. Vöhringer(18) dahier sind folgende Herrn erschienen: Herr Fabrikant Aichelin, Herr Regierunsrat von Clausnizer,(19) Herr Eduard Elben(20), Herr Pfarrer Falch(21), Herr Theodor Klunzinger(22), Herr Stadtpfarrer Lauxmann, Herr Landgerichtsrat Nestel(23), Herr Oberre… Revisor Öhler, Herr Trigonometer Regelmann, Herr Hofrat Riecke(24), Herr Pfarrgemeinderat Schell, Herr Kaufmann Otto Wanner-Rominger(25), Herr Finanzrat Zeller(26), Herr Obersteuerrat Zoller.“(27)

Ämter übernehmen Vöhringer als Vorstand, Pfarrer Lauxmann als stellvertretender Vorstand, Otto Wanner wird Kassier, Obersteuerrat Zoller wird Schriftführer. Die Gründer kannten den zu behebenden Notstand alle aus verschiedenen Perspektiven gut.

Aus den ganzen aktiven Mitgliedschaften der Vereinsgründer wird deutlich, dass es zu dieser Zeit sehr viele christlich-sozial motivierte Vereinsgründungen gab. Trotzdem gelang es dem jungen Verein, recht schnell praktisch aktiv zu werden. In Pfarrer Lauxmann hatte der Verein auch einen versierten Redner und Autor mit einem großen Publikum.

Um die tätige Aufgabe beginnen zu können wurden mehrere Optionen geprüft, darunter:

eine Zusammenarbeit mit dem Maria-Martha-Stift in Ludwigsburg, die kostenpflichtige Unterbringung von Pfleglingen in einer Einrichtung von Gustav Werner, der Erwerb des Kirschenhardthof bei Erbstetten und der Kauf des Schlossguts Untermarchtal.

Dann bot Otto Wanner, der Kassier, dem Verein im Mai 1885 das Schloss Stammheim, das seinem Schwiegervater Kaufmann Johann Rominger gehörte, für 15.000 M. mit Vorkaufrecht zum Kauf an. Zur selben Zeit war die „Dienstbotenheimat Fellbach“ auf der Suche nach einem Domizil. Johann Georg Vöhringer, der zugleich Vorstand der 1874 gegründeten „Dienstbotenheimat Fellbach“ war, fand eine gute Lösung für beide Vereine. Der Kaufpreis und die veranschlagten Renovierungskosten hätten auch das Budget des Vereins bei Weitem überstiegen. Die „Dienstbotenheimat Fellbach“ kaufte das Schloss im Juli 1885 und renovierte es bis Ende des Jahres. Der Verein konnte sich einmieten. Am 1. Februar 1886 fanden die ersten Bewohnerinnen dort eine neue Heimat. Damit begann die Arbeit des Vereins. Der größte Teil der Kostgelder wurde von den jeweils zuständigen Armenbehörden der Heimatorte der Bewohnerinnen bezahlt. Zugleich mit ihnen und für sie zog die Diakonisse Wilhelmine Idler aus dem Stuttgarter Diakonissenmutterhaus ein. Für die Dienstbotenheimat Fellbach arbeitete schon seit 1884 eine Diakonisse.

Interessant ist die gedruckte Einladungskarte zur Einweihungsfeier in Stammheim:

Es wird zur „Einweihungsfeier der DIENSTBOTENHEIMAT UND DES SAMARITERHAUSES“ eingeladen. Damit taucht zum ersten Mal öffentlich der Begriff „Samariter“ im Zusammenhang mit dem Verein auf. Schon im Kooperationsvertrag mit der „Dienstbotenheimat Fellbach“ war der Name „Samariter-Verein“ verwendet worden.

Nachdem nun die ersten Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen waren musste der junge Verein überlegen, wie er zu umfangreicheren Spenden kommen konnte, um die Arbeit weiter auszubauen. Dazu wurde ein Plan für die Öffentlichkeitsarbeit aufgestellt. Pfarrer Lauxmann verfasste einen „Aufruf für ein Samariterhaus“, der in der Sitzung vom 15. Oktober 1885 besprochen wurde.

Er beschrieb die Menschen mit körperlichen Einschränkungen als die „Ärmsten unter den Unglücklichen“, da sie ohne eigenes Verschulden und hilflos ihrer Situation ausgesetzt waren. Und, es galt zu verhindern, dass sie durch Bettelei das Mitgefühl ihrer Mitmenschen ausnutzten. Denn dadurch nahm ihre Seele Schaden. Sie sollten Hilfe zur Selbsthilfe in einer „Samariterherberge“ finden. Der Aufruf galt möglichen Pfleglingen und zugleich potenziellen Spendern und Förderern der Sache. Der Aufruf wurde in etlichen württembergischen Zeitungen abgedruckt.

Nach Lauxmann war es der konsequente Schritt, sich nach dem Kümmern um Arme, Kranke und Blinde mit dem Bau von Armenhäusern, Krankenhäusern und der Nikolauspflege nun um die körperlich Versehrten zu kümmern, entsprechend den Worten Jesu aus Lukas 14,20 „Gehe auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden herein!“ Da er in seinen Texten und Predigten wiederholt von „Samariterhaus“ und „Samariterherberge“ sprach, wurde die Bezeichnung „Samariter-Verein“ am 15.01.1886 auch förmlich durch die Vereinsmitglieder bestätigt.

3.1: Chronologie der Heime und Einrichtungen bis 1975

1885 Im Schloss Stammheim, das der Evang. Dienstbotenheimat Fellbach gehört, können Räume angemietet werden

1886 Am 1. Februar treffen die ersten Bewohner ein

1888 Das Schloss Reichenberg bei Oppenweiler wird am 13.07. mit 16 Pfleglingen und zwei Schwestern bezogen. Die Burg mit eigener Landwirtschaft wird dem Samariterverein gegen eine Pacht von der Finanzverwaltung des Königreiches zur Verfügung gestellt. Doch auch die Burg wurde nach einigen Jahren zu eng

1902 Die Stiftungsgründung wird vollzogen. Aus dem nicht eingetragenen Verein, wird die „Samariterstiftung mit Sitz in Stuttgart“

1903 Das limburgische Schloss in Obersontheim mit Landwirtschaft wird als Samariterheim für weibliche Pfleglinge gekauft

1904 Am 20. Mai können die Frauen nach Obersontheim übersiedeln

1926 Das Schloss Reichenberg wird zu klein

1928 Das königliche Jagd- und Lustschloss Grafeneck wird gekauft und als Heim für Behinderte eingerichtet

1929 Das Schloss Grafeneck wird mit männlichen Heimbewohnern bezogen

1939 Das Schloss Grafeneck wird am 14.10. von der NSDAP beschlagnahmt. Alle Bewohner und Mitarbeitenden können ins Kloster der Franziskanerinnen in Reutte umziehen

1940 Die Krankenmorde der Nationalsozialisten, die sogenannte Aktion T4, findet in Grafeneck statt. Circa 10.000 Menschen mit Behinderungen werden systematisch ermordet

1946/47 Neubezug des Schlosses Grafeneck

1955 Pfarrer Gerhard Schmücker wird erster Geschäftsführer, später erster Hauptgeschäftsführer der Fürsorgeheime und nach der Fusion erster Hauptgeschäftsführer der neuen Samariterstiftung. Zusammen mit Else Krolzig, der Buchhalterin der Fürsorgeheime baut er die Zentralverwaltung auf

1964 Das Samariterstift Neresheim entsteht

1967/68 Das Haus am Bühl, ein Alten- und Pflegeheim in Zuffenhausen wird von der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart übernommen

4: Exkurs: Die Fusion 1975

Die Einheit der beiden Werke wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1975 beschlossen und formal durch den Beitritt der Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen zur Samariterstiftung vollzogen. Gestalter und Ausführer war Dr. Karl Dummler, Direktor im Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und seit 1961 Vorsitzender des Verwaltungsrats sowohl der Fürsorgeheime als auch seit 1965 der bisherigen Samariterstiftung. Die neu entstandene diakonische Einrichtung sollte die Zukunft der Heime und Einrichtungen sichern und das diakonische Handeln auf eine breitere personelle und wirtschaftliche Grundlage stellen. Das so entstandene diakonische Unternehmen übernahm den Namen „Samariterstiftung“. Neuer Sitz der Hauptverwaltung wurde Nürtingen-Oberensingen.

Archivische Quellen zur Samariterstiftung

Landeskirchliches Archiv Stuttgart

-          A 126, Nr. 2026, 2524, 2525

-          A 129, Nr. 4, 39

-          L 1 - Diakonisches Werk

-          L 3 - Samariterstiftung

Hauptstaatsarchiv Stuttgart

-          E 14 Bü. 1382 und 1382,1

-          E151/53 Bü 263

-          EA 8/601 Bü 142

-          J 150 /185 a Nr. 36

-          J 150 /185 a Nr. 36-1, 36-2, 36-3

-          J 152 A XI Nr. 27

-          P1 bü 256

-          Q 1/22 Bü 144

-          Q 1/30 Bü 142

-          R3/002 D993230/101

-          R3/020 A17 0072/101

-          R20/005 10 R130011/101

-          R30/004 A100020/106

Staatsarchiv Ludwigburg

-          E 163, Bü 893

-          E 175, Bü 5259

-          E 191, Bü. 3564, 3929, 4286, 4360, 4602, 5635, 5637, 5638, 7052, 7102

-          EL 20/5l, Bü. 515, 517

-          El 350 I Bü 30810

-          F 152 IV Bü 4798, 4810

-          F 166 III Bü 5089

-          F 166 IV Bü 759

-          FL 30/1 II Bü 99

Staatsarchiv Sigmaringen

-          Wü 29/3 T 1 Nr. 1754/02/06

-          Wü 65/20 T 3 Nr. 3443

-          Wü 65/20 T 11 Nr. 76a

Stadtarchiv Stuttgart

-          10 - Depot A

-          18/1 - Hauptaktei 383, 2094, 2277, 3412, 3956

-          201/1 - Sozialamt 1785

-          201/3 - Sozialamt 43

-          2019 - Materialsammlung Robert Gaupp 152

-          250/2 - Bürgerhospital 31

-          9100 - Drucksachensammlung 1475

Aktualisiert am: 12.08.2021