Hohenzollern
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Von: Trugenberger, Volker
Inhaltsverzeichnis
- Umfang des Gebietes: Ehemaliger preußischer Regierungsbezirk Sigmaringen (Altkreise bis 1972 Sigmaringen und Hechingen
- Hauptort: Sigmaringen
- Evangelisch seit:
- Teil der Landeskirche seit: 1950
- Besonderheiten: Liturgie
1: Evangelische Christen in Hohenzollern vor dem Übergang an Preußen 1850
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Ansicht der Burg Hohenzollern Merian, Topographia Sueviae (1643)
gemeinfrei
Im gesamten Gebiet des nachmaligen Hohenzollern konnte die Reformation nicht nachhaltig Fuß fassen. Der Reformator Simon Grynäus stammte zwar aus Veringen, wirkte aber nicht in seiner Heimat. Herzog Ulrich von Württemberg okkupierte 1534 zwar Hettingen und Gammertingen und führte dort die Reformation ein, doch musste er diesen Besitz bereits 1547 nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg wieder aufgeben. Hettingen und Gammertingen wurden wieder katholisch.
Die Landesherren, die nach dem Reichsrecht die Konfession ihrer Untertanen bestimmen durften, waren streng altgläubig – auch diejenigen, deren Länder erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts an die Fürsten von Hohenzollern kamen. Wer mit der Konfession des Landesherrn nicht einverstanden war, musste auswandern oder wurde gar vertrieben. Der Benzinger Pfarrer Johannes Gockel aus Melchingen legte als Anhänger Luthers sein Pfarramt nieder und siedelte ins evangelische Tübingen über, der fürstenbergische Obervogt von Jungnau Hans Schletz trat sicher vor allem aus konfessionellen Gründen 1559 in württembergische Dienste. 1586 wurden Wiedertäufer, die in der Glashütte Ensisheim bei Bärenthal arbeiteten, ausgewiesen. 1720 verließen etwa 40 Personen, die zum reformierten Glauben konvertiert waren, das damals zum Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen gehörende Dorf Bärenthal (heute Landkreis Tuttlingen) und gründeten im Herzogtum Württemberg im folgenden Jahr das Dorf Neubärental bei Pforzheim.
Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Obrigkeit gegen die andere Konfession toleranter. Die Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen nahmen vereinzelt Protestanten in ihren Dienst. Fürst Hermann Friedrich Otto von Hohenzollern-Hechingen siedelte 1804 in dem nach ihm benannten Weiler Hermannsdorf bei Burladingen württembergische (und damit evangelische) Bauern an und gestattete ihnen freie Religionsausübung. In Hechingen erhielt 1836 der erste Protestant das Bürgerrecht.
Prominenteste Protestantin im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen war seit 1834 die Frau des Erbprinzen Karl Anton, Josefine von Baden. 1840 berief Karl Anton für seine Frau den damals 26jährigen Pfarrkandidaten Moritz Dietz aus Karlsruhe als Hofprediger nach Sigmaringen. Seine Gottesdienste durfte Dietz an den kirchlichen Festtagen und jedem zweiten Sonntag in der Schlosskapelle halten, auch nachdem Erbprinzessin Josefine 1846 zur katholischen Kirche übergetreten war. Mit durchschnittlich dreißig Teilnehmern waren die Gottesdienste von Dietz in der Schlosskapelle recht gut besucht, wenn man bedenkt, dass es damals in Sigmaringen nur zwischen 40 und 50 evangelische Christen gab.
Sigmaringen war dank des Hofpredigers Dietz die Ausnahme: Die übrigen Evangelischen in Hohenzollern – es waren vor allem, wie es 1851 hieß, „Dienstboten, Pächter und Fabrikarbeiter ... welche aus Baden, Württemberg und der Schweiz eingezogen sind – mussten ihre religiöse Befriedigung in den benachbarten Würtembergischen Kirchen“ suchen. Vortrag die Verhältnisse der Evangelischen in den Hohenzollernschen Fürstenthümern betreffend vom Oktober 1851. (1)
2: Ein Seelsorger für Hohenzollern
Im Gefolge der Revolution von 1848/49 traten die beiden Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen ihre Fürstentümer 1850 an den König von Preußen ab. Die Fürstentümer wurden zu einem Regierungsbezirk „Hohenzollernsche Lande“ oder kurz „Hohenzollern“ zusammengefasst. Der Regierungspräsident hatte seinen Sitz in Sigmaringen. Der Regierungsbezirk war nicht wie die anderen preußischen Regierungsbezirke einer preußischen Provinz zugeordnet, sondern unterstand direkt den Ministerien in Berlin. Lediglich in Kirchen-, Schul-, Medizinal- und Bergbauangelegenheiten waren Behörden der Rheinprovinz zuständig.
In den Hohenzollernschen Landen lebten auf einer Fläche von 1142 Quadratkilometern um 1850 65550 Menschen. Eine erste genaue statistische Erhebung über die Zahl der Evangelischen in Hohenzollern liegt aus dem Jahr 1852 vor.(2) Damals gab es in ganz Hohenzollern 791 Personen evangelischen Glaubens, das war etwas über 1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nur 240 hatten ihren ständigen Wohnsitz in Hohenzollern, ein Indiz für eine starke Fluktuation.
Nach dem Übergang an Preußen machten der rheinische Provinzialausschusses für Innere Mission und Pfarrer Eberhard Leyrer aus dem württembergischen Mägerkingen Vorstöße, die vom preußischen König und seiner Verwaltung aufgegriffen wurden, dass „die evangelischen Unterthanen“ in Hohenzollern „nicht ohne die Stärkung durch das Evangelium gelassen werden.“(3)
Das Konsistorium der Rheinprovinz, das seit 1852 für das evangelische Kirchenwesen in Hohenzollern zuständig war, berief daraufhin 1853 den bisherigen Pfarrer in Linz am Rhein Ernst Jungk „zum Seelsorger der evangelischen Einwohner der Hohenzollernschen Lande“.(4)
Jungk hatte seinen Dienstsitz in Sigmaringen, war aber für ganz Hohenzollern zuständig. Das bedeutete: um nach Gammertingen zu kommen, war er mit dem Wagen und zu Fuß fünf Stunden unterwegs, nach Hechingen elf und nach Haigerloch 14 Stunden. In Gammertingen hielt er monatlich Gottesdienste, in Hechingen und Haigerloch alle drei Wochen. Die Gottesdienste fanden in diesen drei Orten zunächst in Privathäusern statt, dann in den Rat- und Schulhäusern. Dazu kamen noch die Gottesdienste alle zwei Wochen in der Sigmaringer Schlosskapelle.
Jungk bemühte sich vor allem darum, die zerstreut wohnenden evangelischen Christen in Hohenzollern persönlich aufzusuchen. Bereits 1855 war er nach eigenem Bekunden bei über 1000 im ganzen Land gewesen. Gegenüber 1852 hatte also die Zahl der Evangelischen in Hohenzollern deutlich zugenommen. Allerdings war keine große personelle Kontinuität vorhanden, da – wie Jungk betonte – „fast die Hälfte durch- oder hin- und herziehende Dienstboten, Fabrikarbeiter, Gesellen usw.“(5) waren und der andere Großteil der Evangelischen, die preußischen Beamten und Militärs mit ihren Familien, häufig versetzt wurden.
1857 wurde ein dem Sigmaringer Pfarrer zugeordnetes Pfarrvikariat in Hechingen eingerichtet. Der Pfarrvikar war zuständig für die Oberämter Hechingen und Haigerloch. Noch im gleichen Jahr 1857 wurde in Hechingen die erste evangelische Kirche in Hohenzollern eingeweiht. Mit den Entwurfsplanungen hatte der König, der den Bau finanzierte, seinen Hofbaurat Friedrich August Stüler, den Architekten des Wiederaufbaus der Zollernburg, beauftragt. Sigmaringen erhielt fünf Jahre später eine eigene Kirche, ebenfalls ein Werk Stülers.
3: Vom Pfarrsystem zum selbständigen Kirchenkreis
Jungk war zwar Seelsorger der Evangelischen in Hohenzollern, aber er hatte keine Pfarrrechte, das heißt, ohne Einwilligung des katholischen Ortspfarrers durfte er keine Taufen, Trauungen und Beerdigungen vornehmen. Das Recht der Kirchenbuchführung hatte man ihm erst nach langem Zögern 1857 definitiv eingeräumt, und dies nur für Sigmaringen. Konflikte mit katholischen Pfarrern gab es bei der Beerdigung Evangelischer auf katholischen Friedhöfen und bei der Proklamation von Heiraten.
Das Verhältnis zur katholischen Kirche verschlechterte sich noch aus einem anderen Grund. In Bietenhausen bei Haigerloch gab es unter der dortigen katholischen Einwohnerschaft eine Gruppe, die sich nach dem Vorbild der evangelisch-pietistischen Hahnschen Gemeinschaften regelmäßig in religiösen Versammlungen traf. Die katholischen Pfarrer hatten die Gruppe seit den 1820er Jahren gewähren lassen, insbesondere den Mitgliedern die Kommunion ohne vorausgegangene Beichte gewährt. Ein neuer Pfarrer hatte dann 1857 einen Beichtzettel verlangt, was zum Bruch der Gruppe mit der katholischen Kirche führte. Gegen den Rat des Sigmaringer Regierungspräsidenten, der um den Religionsfrieden in seinem Bezirk fürchtete, nahm der Hechinger Pfarrvikar zu Beginn des Jahres 1858 31 Katholiken aus Bietenhausen und Höfendorf in die evangelische Kirche auf, kurz darauf noch weitere vier.
Jungk war angesichts seiner schwachen rechtlichen Stellung bestrebt, ein Pfarrsystem in Hohenzollern zu bekommen und damit Pfarrrechte für sich und den Hechinger Vikar. Schließlich wurden 1861 zwei Pfarrsprengel eingerichtet. Die beiden Geistlichen in Hechingen und Sigmaringen erhielten „das Pfarrrecht über sämmtliche in ihren Sprengeln wohnende Glaubensgenossen einschließlich des Rechts der Führung der Kirchenbücher“. Die Pfarrei Sigmaringen umfasste die Oberamtsbezirke Sigmaringen, Gammertingen, Ostrach und Wald, die Pfarrei Hechingen die Oberamtsbezirke Hechingen, Trochtelfingen und als Filial den Oberamtsbezirk Haigerloch.Bei Beerdigungen Evangelischer auf katholischen Kirchhöfen hatte der evangelische Geistliche zwar nach wie vor dem katholischen Ortspfarrer „amtliche Nachricht zu geben“, doch war als Reaktion auf die Vorgänge bei einer Beerdigung in Stetten bei Haigerloch, wo 1859 die Tote in der so genannten Selbstmörderecke des Friedhofs beigesetzt worden war, ausdrücklich vorgegeben, dass die Toten „in einer Reihe mit ihren katholischen Mitbürgern zu beerdigen“seien. Die Superintendenturgeschäfte sollten durch den Sigmaringer Stadtpfarrer wahrgenommen werden.(6)
Nachdem bereits 1863 in Haigerloch eine evangelische Kirche eingeweiht worden war, erhielt diese Stadt 1873 einen eigenen Pfarrer. Im folgenden Jahr wurde ein „Ephoralsprengel für die evangelischen Kirchengemeinden in den Hohenzollernschen Landen“ eingerichtet, das heißt die drei hohenzollerischen Kirchengemeinden wurden in einem Dekanatsbezirk zusammengefasst. Der Sigmaringer Stadtpfarrer wurde Superintendent (Dekan) und damit Dienstvorgesetzter seiner beiden Kollegen in Hechingen und Haigerloch.(7)
1890 und 1891 wurden zwei weitere Pfarreien in Dettingen (wo es 1863 wie in Bietenhausen ebenfalls zu Übertritten pietistisch gesinnter Katholiken gekommen war) und in Gammertingen eingerichtet. In Bietenhausen wurde 1895 das bis heute bestehende Diasporahaus zur Pflege und Erziehung evangelischer Kinder gegründet. Das zur Pfarrei Sigmaringen gehörende Straßberg, wo seit 1884 Gottesdienste für die dortigen evangelischen Einwohner gehalten wurden, sollte 1910 ein von Martin Elsässer errichtetes eigenes Schul- und Gotteshaus erhalten.
Der Aufbau der evangelischen Kirche in Hohenzollern war 1898 abgeschlossen. Die evangelischen Kirchengemeinden in Hohenzollern bildeten nunmehr einen eigenen Kirchenkreis. Ein Kirchenkreis war die dritte Ebene in der Gliederung der Kirche in den älteren Provinzen Preußens, das heißt den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen, Rheinprovinz.
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An der Spitze der evangelischen Kirche stand der König mit einem ihm unmittelbar untergeordneten Oberkirchenrat und der Generalsynode;
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auf der Ebene der Provinzen gab es je Provinz einen Generalsuperintendenten und ein Konsistorium sowie die Provinzialsynode;
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darunter schließlich waren die Kirchenkreise mit den Kreissynoden angesiedelt.
Der hohenzollerische Kirchenkreis war etwas Besonderes. Denn er unterstand zwar der Dienstaufsicht des Konsistoriums der Rheinprovinz, gehörte selbst aber keiner Provinz an. Der hohenzollerische Kirchenkreis war somit den preußischen Provinzialkirchen gleichgestellt. Für die evangelische Kirche in Hohenzollern wurde damit 1898 eine ähnliche Sonderstellung innerhalb der Kirche der älteren Provinzen geschaffen wie für den Regierungsbezirk der Hohenzollernschen Lande innerhalb der preußischen Verwaltungsstruktur.
Nach dem Ende der Monarchie 1918 änderte sich an der Rechtsstellung der Evangelischen Kirche in Hohenzollern grundsätzlich nichts. Die Verfassungsurkunde der Kirche der Altpreußischen Union vom 29. September 1922 regelte die Rechtsstellung der evangelischen Kirche in Hohenzollern im Artikel 164:
„(1) Die Hohenzollernschen Lande bleiben der Kirche als selbständiger Kirchenkreis eingegliedert.
(2) Für ihren Bereich werden die Obliegenheiten des Generalsuperintendenten, des Konsistoriums und des Rechtsausschusses der Kirchenprovinz von dem Generalsuperintendenten, dem Konsistorium und dem Rechtsausschuß der Rheinprovinz wahrgenommen.“
Die Zahl der Einwohner evangelischen Bekenntnisses in Hohenzollern war seit 1850 kontinuierlich angestiegen. Mitte der 1920 Jahre waren es 3592, das heißt fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. Davon gehörten 1432 Seelen zur Pfarrgemeinde Hechingen (davon in der Stadt Hechingen 1084), 1339 Seelen zur Pfarrgemeinde Sigmaringen (davon in der Stadt Sigmaringen 759), 353 zur Pfarrgemeinde Gammertingen (davon in der Stadt Gammertingen 88), 256 zur Pfarrgemeinde Haigerloch (davon in der Stadt Haigerloch 144) und 212 zur Pfarrgemeinde Dettingen (davon in der Gemeinde Dettingen 107).(8)
Im August 1933 fasste die hohenzollerische Kreissynode den Beschluss, „allen Evangelischen den Anschluss an die deutschen Christen zu empfehlen“.(9)
4: Rassenideologie in der Kirche – Der Fall des Hechinger Pfarrers Peter Katz
Seit 1931 war Peter Katz Pfarrer in Hechingen. Katz stammte aus einem jüdischen Elternhaus, sein Vater war jedoch 1888 zum evangelischen Glauben übergetreten und hatte auch den damals zweijährigen Peter taufen lassen. Kaum waren die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Macht gekommen, verlangte Ende Juli 1933 ein Deutscher Christ brieflich im Namen der evangelischen NSDAP-Parteigenossen Hechingens die Ablösung von Katz. Deutsche könnten nur von Deutschen, nicht aber von Juden geistlich betreut werden.
Weil es den Arierparagraphen in der der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union noch nicht gab (dieser wurde erst am 6. September 1933 auf der Generalsynode beschlossen), wollte der Gemeindekirchenrat Pfarrer Katz auf andere Art und Weise los werden. Die sechs Hechinger Kirchenältesten beschwerten sich am 3. August 1933 beim Sigmaringer Superintendenten Seeliger über angebliche dienstliche Verfehlungen und Schwächen des Hechinger Pfarrers. Und schließlich warf der Kirchenälteste Dr. Theodor Johannsen, Arzt und NSDAP-Kreisleiter, Katz vor, dieser habe zur Frau eines Kirchenältesten gesagt: „Sie wollen aus einem christlichen Hause stammen und wählen nationalsozialistisch?“
Das zuständige Konsistorium in Düsseldorf veranlasste Katz, sich im Oktober 1933 beurlauben zu lassen. Eine Abschiedspredigt wurde ihm vom Hechinger Kirchengemeinderat verweigert. Am 3. Februar 1934 wurde er schließlich mit Wirkung zum 1. März wegen „nicht-arischer Abstammung“zwangsweise in den Ruhestand geschickt. Er emigrierte später nach England.
5: Übergang an die württembergische Landeskirche
Nach dem Untergang Preußens im Gefolge des Zweiten Weltkriegs war die Sonderstellung der hohenzollerischen Kirchengemeinden nicht mehr aufrechtzuerhalten. Was aus der Kirche der Altpreußischen Union werden sollte, wusste niemand. Die Provinzialkirchen strebten zur Selbständigkeit.
Die rheinische Kirchenleitung wollte Hohenzollern aus ihrer Verantwortung los werden. Am 20. Juli 1945 schrieb die Leitung der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz in Düsseldorf an den Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart: „Da wir uns unter den derzeitigen Verhältnissen ausserstande sehen, die Synode Hohenzollern-Sigmaringen kirchlich zu betreuen und zu beaufsichtigen, bitten wir den Evangelischen Oberkirchenrat, sich dieser kirchlichen Enklave der rheinischen Kirche b.a.W. nach Kräften anzunehmen und einstweilen treuhänderisch in seine Verwaltung zu übernehmen ... Wir erachten durch die inzwischen eingetretenen Ereignisse den Zeitpunkt für gegeben, eine Vereinigung der Synode Sigmaringen mit der Württembergischen Landeskirche ins Auge zu fassen ... “(10)
Doch es dauerte noch beinahe fünf Jahre, bis die Eingliederung der hohenzollerischen Kirchengemeinden in die württembergische Landeskirche endgültig vollzogen wurde. Denn neben verfahrensrechtlichen, organisatorischen und finanziellen Fragen gab es große Personalprobleme:
Zum einen in Hechingen. Hier gab es im Kirchengemeinderat Bestrebungen, an Stelle eines 1945 aus der rheinischen Kirche gekommenen Pfarrers dem früheren Stadtpfarrer, der in den 1930er Jahren nach Berlin gegangen und dort 1933 den Deutschen Christen beigetreten war, die Pfarrstelle zu verschaffen. In Berlin ausgebombt, lebte dieser nämlich in Hechingen bei seinem Schwager, dem Inhaber der – laut Akten im Volksmund so genannten – „Evang. Apotheke oder Naziapotheke“.(11) Es kam zu Rücktritten von Mitgliedern des Gemeindekirchenrats, der dadurch beschlussunfähig wurde. Schließlich wurde der Pfarrer in eine württembergische Gemeinde versetzt, und der Oberkirchenrat in Stuttgart entsandte mit einem aus dem Osten vertriebenen Pfarrer einen Amtsverweser nach Hechingen, der so gut in Hechingen ankam, dass sich das Problem löste.
Zum anderen in Sigmaringen: Hier versuchte der Superintendent die Württembergische und die Rheinische Kirche gegeneinander auszuspielen und seine eigene Politik zu verfolgen. Dabei griff er auch in den Hechinger Pfarrerstreit zu Gunsten des Schwagers des Apothekers ein. Das Problem mit dem Superintendenten löste sich dann durch die Entnazifizierung. Der Superintendent musste sein Amt als Superintendent aufgeben und wurde als Pfarrer nach Haigerloch abgeschoben.
Am 27. Januar 1950 beschloss die hohenzollerische Kreissynode, der die Pfarrer, berufene Vertreter aus dem Kreis der Religionslehrer, der Organisten und aus der Diakonie sowie gewählte Vertreter aus dem Kreis der Gemeindekirchenräte angehörten, einstimmig die Eingliederung in die Evangelische Kirche Württembergs.
Am 24. Februar 1950 unterzeichnete Bischof Otto Dibelius als Vorsitzender der altpreußischen Kirchenleitung den Vertrag über die Eingliederung der hohenzollerischen Kirchengemeinden in die Württembergische Landeskirche, in dem unter anderem den hohenzollerischen Kirchengemeinden zugestanden wurde, dass „die Besonderheiten der besehenden Gottesdienstordnung“ erhalten bleiben, „solange sie es wünschen“.(12) Deshalb wird bis heute in Hechingen, Sigmaringen, Haigerloch und Dettingen (aber nicht mehr in Gammertingen) sowie in Pfarreien, die nach 1950 auf dem Gebiet des ehemaligen Hohenzollern gegründet worden sind wie Ostrach oder Bisingen, der Gottesdienst nach der Liturgie der altpreußischen Union gefeiert.
Aktualisiert am: 15.02.2018
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