Johann Lachmann und die Reformation in Heilbronn

Von: Jung, Martin H.

Johann Lachmann (1491-1539) als Habakuk am Kätchenhaus (auch Lachmann`sches Haus) in Heilbronn

Fotograf: Joachim Köhler

Die freie Reichsstadt Heilbronn bildete in der Reformationszeit ein kleines, selbständiges Staatswesen, das sich wie die meisten anderen reichsunmittelbaren Städte schon frühzeitig für die Reformation entschied. Der wichtigste Reformator Heilbronns war der Priester und studierte Jurist Johann Lachmann 1491-1539 ein Sohn der Stadt. Er trat nicht wie viele andere Reformatoren als Schriftsteller hervor und hatte kaum überregionalen Einfluss, wirkte aber als engagierter evangelischer Prediger unermüdlich für die neue Lehre. Seiner Heimatstadt verhalf er zu einem eigenen Katechismus und zu vorbildlichen Kirchen- und Gottesdienstordnungen. Besonders hervorzuheben sind sein ausgleichendes Auftreten im Bauernkrieg und sein behutsamer Umgang mit den Täufern. Aus diesen Gründen sind das Werk Lachmanns und die Reformation in Heilbronn nicht nur von ortsgeschichtlicher Bedeutung, sondern von Relevanz für die Reformationsgeschichte ganz allgemein. Gleichwohl gehört Lachmann zu den vergessenen Gestalten der Reformationsgeschichte. Wir kennen weder seinen Geburts- noch seinen Todestag, wir haben von ihm kein Bild und wir wissen nicht einmal, wo er begraben wurde.

Heilbronn zählte zu Beginn der Reformationszeit mehr als 6000 Einwohner und gehörte damit zu den großen Städten Deutschlands. Es verdankte seine Bedeutung einer besonders verkehrsgünstigen Lage. Weil der Neckar nur bis Heilbronn schiffbar war, wurden hier Waren vom Schiff zur Straße umgeschlagen, und zwei Fernstraßen, eine von Frankfurt am Main nach Italien und eine von Paris nach Prag, berührten den Ort. Zur Stadt gehörten vier Dörfer: Flein, Böckingen, Neckargartach und Frankenbach. Kirchlich unterstand Heilbronn dem Bischof von Würzburg. Insgesamt zählte die Stadt sieben Kirchen und zehn Kapellen. Die Pfarr- und Hauptkirche war St. Kilian. An ihren zahlreichen Altären und in den verschiedenen Kapellen der Stadt wurden von etwa 15 Priestern regelmäßig Messen gelesen. Heilbronn hatte außerdem drei Klöster. Das wichtigste war das außerhalb der Stadt, an der Straße nach Weinsberg gelegene Karmelitenkloster. Dort gab es ein berühmtes, wundertätiges Marienbild. In der Stadt befanden sich ferner ein Franziskaner- und ein Klarissenkloster, woran noch heute die Klostergasse und die Klarastraße erinnern. Sieben auswärtige Klöster besaßen Wirtschaftshöfe im Ort, weil sie am Heilbronner Wein interessiert waren, und der Deutsche Ritterorden hatte in der Stadt ebenfalls eine Niederlassung, eine sogenannte Kommende. Schließlich gab es noch zwei Beginenhäuser, in der Lamm- und der Hämmerlinggasse. Berühmt war Heilbronn seit 1512 wegen kostbarer Reliquien, darunter ein Fetzen von einem Kleid Marias, ein Stück von dem Schwamm, mit dem Christus am Kreuz getränkt wurde, und ein Knochenfragment vom Arm des Heiligen Bartholomäus.(1)

Johann Lachmann wurde im Jahre 1491 in Heilbronn geboren.(2) Sein Geburtstag ist wie bei vielen Menschen, die im 15. Jahrhundert das Licht der Welt erblickten, nicht bekannt, denn damals gab es noch keine Kirchenbücher, in die man Geburten und Taufen eingetragen hat, und auch im Leben des Kindes und des Erwachsenen spielte der Geburtstag nicht die Rolle, die er heute hat. Lachmanns Vater Bernhard war Glockengießer und zeitweilig Mitglied des Stadtrats, stammte aber wahrscheinlich nicht aus Heilbronn, und seine Mutter Anna war die Tochter eines Heilbronner Schuhmachers. Sie war die zweite Frau von Bernhard Lachmann.

Johann Lachmann besuchte als Kind in Heilbronn die Lateinschule. Diese hatte einen über die Stadt hinausreichenden Ruf. Die Behauptung, auch der gebürtige Brettener Philipp Melanchthon 1497-1560 sei in diese Schule gegangen, ist aber zweifelsfrei falsch. Lachmann studierte ab 1505 in Heidelberg. Dort lernte er wahrscheinlich Melanchthon und Johannes Brenz 1499-1570 kennen. Das damals übliche philosophische Grundstudium schloss Lachmann 1508 erfolgreich ab und erwarb den Magistertitel. Danach begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften, wozu sowohl das weltliche als auch das kirchliche Recht gehörten. Dieses Studium hat er aber abgebrochen, um in Heilbronn eine Pfarrstelle zu übernehmen. Daß jemand, der nicht Theologie studiert hatte, Pfarrer wurde, war damals nicht ungewöhnlich. Christlich geprägt war ohnehin jeder Studiengang, ja die ganze Universität. 1514 ließ sich Lachmann in Würzburg zum Priester weihen und wirkte anschließend als Pfarrverweser an St. Kilian in Heilbronn.

Als Pfarrverweser war Lachmann nur der Vertreter des Pfarrers. Doch der eigentliche Pfarrer war ein Würzburger Domherr, der die Heilbronner Pfarrei nur formell innehatte, aber nie selbst betreute. Er bezog die damit verbundenen Einkünfte, ließ jedoch die Arbeit durch einen Vertreter erledigen. Diese Ämterhäufungen und Amtsabwesenheiten waren damals verbreitet, und das Missfallen, das sie erregten, war einer der Gründe für die Reformation. Verärgert waren viele Menschen auch über die den Klerikern eingeräumte Steuerbefreiung und über teilweise skandalöse sittliche Zustände im Klerus, wofür es auch aus Heilbronn Zeugnisse gibt.

Lachmann war also der wichtigste Pfarrer Heilbronns. Er hatte den Auftrag, die heiligen Sakramente zu verwalten, und das hieß täglich die Messe zu lesen, Taufen, Trauungen und Krankensalbungen durchzuführen und Beichte zu hören. Ihm zur Seite standen drei Hilfspriester. Die Wortverkündigung war ihm nicht aufgetragen. Dafür gab es in Heilbronn noch einen extra Prediger. Fünf Pfarrer betreuten also 6000 Gemeindeglieder, eine Pfarrerdichte, von der man heute nur träumen kann.

Lachmann nannte sich eigentlich "Lachamon". Wie andere damals ihre Namen ins Lateinische oder Griechische übersetzten oder übersetzen ließen (Melanchthon, Capito, Grynäus, Oekolampad ...), um sich als Gelehrte auszuweisen, so hat Lachmann vermutlich seinen Familiennamen verfremdet, um sich als studierter Jurist von den einfachen Handwerkern gleichen Namens abzuheben.

Im Frühjahr 1521 wurde Lachmann in Heidelberg zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert, und im gleichen Jahr bekam er in Heilbronn die Predigerstelle an St. Kilian übertragen. Diese war eine städtische Einrichtung, die bereits im Jahre 1426 durch eine Stiftung der Witwe Anna Mettelbach geschaffen worden war. Solche Predigerstellen gab es in vielen Städten. Durch sie sollte das kirchliche Angebot ergänzt werden, denn die gebildete Stadtbevölkerung bemängelte an den kirchlichen Amtsträgern, daß sie zu wenig oder zu schlecht predigten. Über die Besetzung der Stelle entschied nicht der Bischof, sondern der Rat der Stadt. Lachmann bekam die Stelle, obwohl sich namhafte Männer von auswärts beworben hatten. Er wurde gewählt, weil er ein Sohn der Stadt war und weil man mit seiner bisherigen Arbeit als Pfarrer zufrieden war.

Als Lachmann Prediger wurde, war die Reformation in Deutschland und der Schweiz bereits im Gange. Luthers Gedanken wurden in Flugschriften im ganzen Land verbreitet. Auch nach Heilbronn kamen Buchhändler, die solche Texte auf dem Markt verkauften wie andere Krämer Lebensmittel und Handwerkswaren. Bereits 1520 und 1522 gingen jeweils zwei junge Heilbronner zum Studium nach Wittenberg. Sicher interessierten sie sich im fernen Sachsen nicht für Land und Leute, sondern für die neue Theologie. Auch andere Anhaltspunkte gibt es dafür, dass es 1521/22 in Heilbronn bereits Anhängerinnen und Anhänger der Reformation gab.(3)

Besonderes Aufsehen erregte 1521 Luthers Auftreten in Worms, wo er sich unter Berufung auf Bibel, Gewissen und Vernunft vor Kaiser Karl V. 1500-1558 und den Reichsfürsten weigerte, seine Lehre zu widerrufen. Immer mehr Pfarrer begannen, Luthers Botschaft von der Freiheit eines Christenmenschen und der Rechtfertigung aus dem Glauben allein von der Kanzel zu predigen. Schon seit 1520 wurde in Weinsberg von Erhard Schnepf 1495-1558 evangelisch gepredigt. Auch Lachmann wurde von der neuen Lehre erfasst. Wir wissen nicht wann, wo und wie, aber sicher ist, dass er spätestens im Jahre 1524 in Heilbronn die Botschaft der Reformation verkündigte.

Noch ein anderer für den fränkischen Raum bedeutender Mann wurde in jener Zeit in Heilbronn für die Reformation gewonnen: der Reichsritter Gottfried von Berlichingen 1480-1562 dem Goethe 1773 mit seinem "Götz" ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. Von 1519 bis 1522 war er nämlich in Heilbronn in Haft und muß dabei mit reformatorischem Gedankengut in Berührung gekommen sein.(4)

In Heilbronn fasste die Reformation schnell Fuß. Sie fand Unterstützung in der Stadtobrigkeit, bei den Schuhmachern und auch bei den Franziskanermönchen. 1524 verließen zwei "Barfüßer", wie man die Franziskaner wegen ihres asketischen Verzichts auf Schuhwerk nannte, ihr Kloster. Einer ging zum Studium nach Wittenberg, der andere heiratete. Im März 1525 forderte der Rat die Franziskaner dazu auf, "das heilige Evangelium" zu predigen. Die Forderung nach evangelischer Predigt war in Heilbronn wie in vielen anderen Orten ein erster Schritt zur Durchsetzung der Reformation. Es gab jedoch Heilbronner Bürger, die an der alten Kirche und am traditionellen Glauben festhalten wollten. Jahrelang wurde in Heilbronn um die wahre Lehre und den rechten Weg der Kirche gestritten. Gleichzeitig fanden evangelische und katholische Gottesdienste statt, und die Bürger konnten entscheiden, welche Kirche sie besuchten. Manche gingen aber auch bewußt und absichtlich in den "gegnerischen" Gottesdienst, um dort durch Zwischenrufe die Feier zu stören. An diesen Provokationen beteiligten sich häufig Frauen. Die aktive Rolle von Frauen bei der Durchsetzung der Reformation wurde lange ignoriert, doch ohne ihre Beteiligung hätte es keine Reformation gegeben. Sie konnten zwar keine Führungspositionen bekleiden, aber die konkreten örtlichen Auseinandersetzungen gaben ihnen die Möglichkeit, einzugreifen und Partei zu nehmen.

Seit 1528 wurde in Heilbronn das Abendmahl unter beiderlei Gestalt angeboten und mit einer deutschen Liturgie zelebriert. Die erste evangelische Abendmahlsfeier fand am Donnerstag, dem 7. Mai 1528 morgens um fünf Uhr statt. 32 Männer und 46 Frauen nahmen daran teil. Das Sakrament wurde nicht von Lachmann, sondern von Diakon Wilhelm Dohl gereicht. Dass mehr Frauen als Männer an dieser Feier teilnahmen ist bezeichnend und zeigt uns noch einmal die wichtige Rolle von Frauen beim Reformationsgeschehen. Am Sonntag nach jenem denkwürdigen Tag feierten in der Kilianskirche bereits hundert Personen das evangelische Abendmahl, doch nach wenigen Wochen, an Fronleichnam 1528, gebot der Rat, diese Feier wieder einzustellen. Aber dann wurde der altgläubige Bürgermeister Konrad Ener durch Hans Riesser ca. 1489 - ca. 1553 einen Anhänger der Reformation, abgelöst. Vom 28. Juni 1528 an wurde das Abendmahl wieder evangelisch gefeiert.

Für Lachmann war die Abendmahlsfeier mit Brot und Wein eine wichtige Sache. Er glaubte, darin liege eine besondere Kraft, das Mahl würde zur Besserung des Lebens verhelfen. Er bekannte sich zu Luthers Abendmahlslehre, nach der Christi Leib im Brot und sein Blut im Wein enthalten sei, was allerdings die Vernunft nicht begreifen könne. Im Jahre 1525 hatte Lachmann zu den Unterzeichnern des Syngramma Suevicum, des "Schwäbischen Buchs", gehört, einer von Brenz verfassten wichtigen Abendmahlserklärung, die sich gegen die symbolische Abendmahlsauffassung der Schweizer Reformation, gegen Basel und Zürich, richtete und Luthers "realistische", der katholischen Sicht nahestehende Position unterstützte.


Stadtansicht Heilbronns von Westen. Kolorierter Kupferstich aus Civitates Orbis terrarum, 1617

Gemeinfrei

Im Jahr 1529, als der Turm der Kilianskirche nach 22jähriger Bauzeit vollendet wurde, begann Heilbronn mit einer Erneuerung des Kirchenwesens auf allen Ebenen. Die Einkünfte der Kapellen und der kirchlichen Stiftungen wurden dem Spital und der Armenfürsorge zugewendet. Das Betteln auf den Straßen und in den Wirtshäusern wurde verboten. Das öffentliche Tragen der Monstranz war nicht mehr erlaubt. Viele Feiertage wurden abgeschafft. Beibehalten blieben neben denen, die wir heute noch kennen, unter anderem die Apostel- und Marientage. 1530 wurde die Feier der Fastnacht untersagt; traditionell hatte es in Heilbronn einen Umzug gegeben, bei dem die Hauptfigur ein Riese war.

1529/30 wurde Heilbronn von einer schweren Seuche heimgesucht. Man sprach vom "Englischen Schweiß". Viele Menschen, genannt wird die wahrscheinlich übertriebene Zahl von 2000, fielen ihr zum Opfer. Für evangelische Christen war das eine Warnung Gottes und Mahnung zur Buße. Die Katholiken in Heilbronn dagegen sahen darin eine göttliche Strafe für den durch die Reformation erfolgten Bruch mit der religiösen Tradition.

Während Heilbronn, unter Lachmanns Anleitung, die reformatorische Umgestaltung des Gemeinwesens vorantrieb, stellte es sich auch in der Reichspolitik offen auf die Seite der "Neugläubigen". 1529 unterstützte die Stadt auf dem Reichstag zu Speyer, vertreten durch Bürgermeister Riesser und den Ratsherrn Hans Baldermann, mit 13 weiteren evangelischen Städten und sechs Fürsten den Protest der evangelischen Stände gegen die antireformatorischen Beschlüsse der altgläubigen Reichstagsmehrheit.

1530 schuf Heilbronn, anlässlich des Reichstags in Augsburg, ein eigenes evangelisches Bekenntnis.(5) Lachmann dürfte die "Verantwortung" in Absprache mit seinen Kollegen und dem Rat verfaßt haben. In sechs Artikeln wurden die Themen Messe, Totengedenken (Vigilien), Taufe, Priesterehe, Abendmahl und Beichte behandelt und die in Heilbronn eingeführten Neuerungen geschildert und begründet. Das theologische Zentralthema der Reformation, die Rechtfertigungslehre, wurde nicht behandelt, und auch die schwierigen Kontroverspunkte Bischofsamt und Papsttum wurden ausgeklammert. Auf dem Reichstag wurde das Heilbronner Bekenntnis dem Kaiser jedoch nicht übergeben, sondern die Stadt, vertreten durch Bürgermeister Riesser, unterstützte am 14. Juli 1530 das von Melanchthon erarbeitete evangelische Bekenntnis, das als das "Augsburger Bekenntnis" bis heute in allen lutherischen und vielen unierten Kirchen zur Bekenntnisgrundlage gehört. Die Evangelischen hatten in Augsburg keinen Erfolg, und Lachmann reagierte enttäuscht und mit scharfen Worten auf den negativen Reichstagsabschied des Kaisers. In einem Schreiben an den Rat nannte er die kaiserliche Erklärung, die von den Evangelischen ultimativ die Rückkehr zur alten Kirche verlangte, "heftig und greulich, verfasst vom Satan durch seine Glieder, Bischöfe, Kardinäle und Papst".(6) Lachmann täuschte sich jedoch, wenn er glaubte, der Kaiser sei daran ganz unschuldig.

In den dreißiger Jahren wurden in Heilbronn neue Tauf-, Ehe- und Gottesdienstordnungen eingeführt und das Armen-, Schul- und Krankenwesen neu organisiert. Am 8. Dezember 1531 hat der Rat die katholische Messe verboten. Nur ein Bürger, der Hufschmied Peter Herrenschmied, wagte es, sich öffentlich gegen das Verbot zu erklären. Gleichzeitig wurden die Mönche und Nonnen aufgefordert, ihre Ordenstracht abzulegen. Doch unter den Altgläubigen gab es Widerstand, und der Rat suchte Kompromisse. In den Klöstern der Karmeliten und der Franziskaner wurde schließlich weiterhin die Messe gelesen. Zwei- bis dreimal in der Woche war es ihnen erlaubt. Doch die Heilbronner Klöster waren zum Aussterben verurteilt. Karmeliten gab es im Jahre 1538 nur noch drei. 1544 wurde das Franziskanerkloster aufgehoben und in eine Schule umgewandelt. Im Deutschordenshaus wurden allerdings auch noch später Messen gefeiert, der Rat verbot aber den Bürgern, daran teilzunehmen.

Lachmann war der führende Repräsentant der Heilbronner Reformation. Er verfügte über ein großes Ansehen bei der Stadt- und Landbevölkerung. Zwei entscheidende persönliche Weichenstellungen erfolgten in seinem Leben 1526. Im Mai wies Lachmann eine Anordnung des Würzburger Bischofs zurück, in der Domstadt zu erscheinen und sich wegen seiner Unterstützung der Reformation zu rechtfertigen. Im November heiratete Lachmann die Heilbronnerin Barbara Weißbronn gest. 1560/61 die Tochter des Kannengießers Wendel Weißbronn, und brach damit das Zölibat. Damit erfolgte die endgültige Distanzierung von der alten Kirche. Die Einsegnung der Ehe wurde durch den evangelischen Pfarrer von Schwaigern, Bernhard Wurzelmann ca. 1495-1554 vorgenommen. Auch in den späten zwanziger und den frühen dreißiger Jahren blieb Lachmann der führende Mann der Heilbronner Reformation und gab dem Heilbronner Kirchenwesen seine Gestalt. Ab 1533 wurde er an der Kilianskirche durch Meinrad Molther ca. 1500-1558 unterstützt.

Gestorben ist Lachmann wahrscheinlich Anfang oder Mitte Januar 1539. Dass sein Todestag von den Heilbronnern nicht in Erinnerung bewahrt wurde, ist ungewöhnlich. Am 27. Januar, das steht fest, wurde sein Nachfolger in das Amt eingeführt. Lachmanns Frau, über deren Leben und Wirken an der Seite des Reformators leider wenig bekannt ist, starb erst 1560/61. Ein Sohn immatrikulierte sich 1551 in Heidelberg, eine Tochter heiratete in Heilbronn den Bürgermeister Raimund Vogler. Nach seinem Tod geriet Lachmann rasch in Vergessenheit, woran vor allem die Tatsache Schuld hatte, dass er kaum schriftstellerisch hervorgetreten war. Heute erinnert in Heilbronn eine Straße an den großen Sohn der Stadt. Außerdem gibt es am Marktplatz ein mächtiges Steinhaus, das sogenannte Käthchenhaus, Marktplatz 1, an dessen 1535 entstandenem Renaissance-Erker sich eine Figur des Propheten Habakuk befindet, die möglicherweise die Gesichtszüge des Heilbronner Reformators trägt. Es war damals sehr verbreitet, bei der Darstellung biblischer Figuren zugleich Zeitgenossen zu porträtieren. Lachmann als Prophet Habakuk, der Gottes Gericht, aber auch die Rechtfertigung durch den Glauben verkündete, das passt sehr gut zusammen. Lachmanns Stärken waren seine Predigtgabe und sein Organisationstalent. Als Theologe war er weniger bedeutend, und schriftstellerische Ambitionen hatte er nicht.

Die einzigen gedruckten Reformationsschriften, die direkt und eindeutig von Lachmann stammen, hängen mit dem Bauernkrieg zusammen. Heilbronn wurde im Jahre 1525 besonders stark in die Auseinandersetzungen des Bauernkriegs einbezogen.(7) Die aufständischen Bauern verstanden sich als Teil der evangelischen Bewegung und forderten unter Berufung auf die Bibel und Luthers Freiheitsbotschaft die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Erleichterung der Lasten, die ihnen auferlegt waren. Ihre wichtigste Programmschrift waren die "Zwölf Artikel", in denen neben sozialen Forderungen auch die nach freier Pfarrerwahl durch die Gemeinde erhoben wurde.

Zentrum des Bauernaufstandes im Heilbronner Gebiet war Flein. Hier fand am 2. April 1525 eine große Versammlung statt, zu der Bauern aus der ganzen Region und auch Bürger Heilbronns zusammengeströmt waren. In Heilbronn sympathisierten besonders die Weingärtner mit den Aufständischen. Der aus Flein stammende Bauer und Wirt Jakob Rohrbach gest. 1525 wurde zum Hauptmann gewählt. Am 5. April zog Rohrbach mit rund 1000 Aufständischen in Richtung Weinsberg und Öhringen. Lachmann richtete ein Sendschreiben an die Bauern, das ihnen in Erlenbach übergeben wurde. Er wies die Bauern auf den Widerspruch hin zwischen ihrem revolutionären Treiben und ihrer Berufung auf das Evangelium. Gottes Wort, so sagte er, erfordere Gehorsam gegen die Obrigkeit, selbst wenn diese heidnisch oder tyrannisch sei. Gegen Unterdrückung dürfe man sich nur wehren, indem man den allmächtigen Gott um Hilfe anrufe.(8)

Ob der Brief des Heilbronner Reformators den Bauern vorgelesen wurde, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ließen sich die Aufständischen nicht aufhalten. Sie plünderten das Kloster Schöntal und schienen sich dann gegen Heilbronn zu wenden. In dieser Situation schrieb Lachmann am 13. April erneut an die Bauern und erklärte ihnen, sie dürften sich nicht zu Richtern in ihrer eigenen Sache machen. Wer aus dem Evangelium Freiheits- und Gleichheitsforderungen ableite, habe dieses grob missverstanden. Obrigkeiten müsse es geben, weil nur so der Friede bewahrt und das kleine Häuflein der Gläubigen vor der Menge der Gottlosen geschützt werden könne. Lachmann mahnte die Bauern, den Aufstand zu beenden, sonst würde sie Gott an Leib, Ehre, Gut und Leben, ja mit ewiger Verdammnis strafen.

Bewirkt hat auch dieser Brief nichts. Die Bauern besetzten Neckarsulm und erstürmten Weinsberg. Dann forderte ein Bote der Aufständischen vom Rat Heilbronns die Übergabe der Stadt und die Lieferung von Proviant. Die Situation für Heilbronn war aufs äußerste bedrohlich. Lachmann riet, dem Bauernheer Proviant zu schicken und den bäuerlichen Untertanen Heilbronns Abgabenerleichterungen zu gewähren, aber die Aufständischen nicht in die Stadt zu lassen. Doch der Rat öffnete am 17. April die Tore. 200 Bauern besetzten Heilbronn und verwüsteten die Klöster und Klosterhöfe. Nach einer Woche, am 24. April, zogen sie weiter. Am 12. Mai wurde das südwestdeutsche Bauernheer bei Böblingen vernichtend geschlagen. Mehrere tausend Mann fanden den Tod. Nun schrieb Lachmann zum dritten Mal an die Bauern und erklärte ihre Niederlage zum göttlichen Strafgericht.

Der Heilbronner Reformator forderte ähnlich wie Brenz die Obrigkeiten nach der Niederlage der Bauern dazu auf, Gnade walten zu lassen. In Heilbronn wurden neun Bauernführer auf dem Marktplatz mit dem Schwert öffentlich hingerichtet. In einigen Fällen konnte Lachmann verhindern, daß Todesurteile über Bauern vollstreckt wurden. Für ihren Anführer Rohrbach hat er sich aber nicht eingesetzt. Nach seiner Gefangennahme durch Georg III. Truchsess von Waldburg 1488-1531 den Hauptmann des von altgläubigen und evangelischen Ständen gegen die Bauern aufgestellten Heeres, wurde er am 21. Mai 1525 bei Neckargartach mit einer Kette an eine Weide gebunden und lebendigen Leibes durch ein ringsum entfachtes Feuer langsam zu Tode geröstet.

Lachmann trat nicht wie andere Reformatoren auf die Seite der Bauern, aber wurde auch nicht wie Luther zu einem unerbittlichen Gegner der Bauern. Er war der einzige Reformator Süddeutschlands, der während des Bauernkriegs versuchte, mäßigend auf die Aufständischen einzuwirken. Für den Druck waren die drei Briefe, die er geschrieben hat, eigentlich nicht bestimmt. Doch nach dem Ende des Bauernkriegs wurde Lachmann von Altgläubigen verdächtigt, ein Parteigänger der Bauern gewesen zu sein. In dieser Situation fasste er den Entschluss, sich dadurch zu verteidigen, dass er seine drei Briefe von einem Buchdrucker in Speyer drucken und als Flugschrift verbreiten ließ.

Heilbronn spielte nicht nur im Bauernkrieg eine wichtige Rolle, sondern war auch eine frühe Hochburg der Täuferbewegung.(9) Die Täufer, damals als "Wiedertäufer" bekämpft und grausam verfolgt, waren wie die aufständischen Bauern ein Teil der Reformationsbewegung. Sie lehnten die Kindertaufe ab und forderten, dass nur Erwachsene, nach Belehrung und abgelegtem Glaubensbekenntnis, getauft werden dürften. Sie bildeten kleine Basisgemeinden, sonderten sich ab von der "Welt" und strebten nach einem Leben in strenger Christusnachfolge. Dazu gehörten für sie die Verweigerung des Waffendienstes und die Ablehnung des Eids. Ab 1527 wurde gegen Täufer in evangelischen und katholischen Gebieten gleichermaßen mit Todesurteilen vorgegangen. Im altgläubigen Rottenburg wurde 1527 der Täuferführer Michael Sattler ca. 1490-1527 lebendig verbrannt und seine Frau im Neckar ertränkt, im ebenfalls altgläubigen Schwäbisch Gmünd wurden 1529 sieben Täufer verbrannt und im evangelischen Lauffen am Neckar wurde 1540 eine Täuferin hingerichtet.

In Heilbronn gab es bereits ab 1526 Menschen, die täuferisch gesinnt waren. 1528/29 zählte man etwa 30 bis 40 Täufer in der Stadt. Geflüchtete Täufer aus Esslingen waren nach Heilbronn gekommen, aber alsbald hatten sich Heilbronner, darunter angesehene Bürgerinnen und Bürger, der Bewegung angeschlossen. Auch in Heilbronn kam es zu Konflikten, weil die Täufer den offiziellen Gottesdiensten fernblieben, in ihren Häusern gemeinsam beteten und die Bibel auslegten und weil sie unter Berufung auf Mt 5 den Bürgereid verweigerten. In Heilbronn hat man darauf aber nicht reagiert, indem man Gefängnisstrafen verhängte und Todesurteile aussprach, sondern indem man die Täufer auswies. Aber auch dabei ging man nicht radikal vor. Deshalb gab es in Heilbronn auch in der späten Reformationszeit immer eine Täufergemeinde. Insgesamt über 50 Heilbronner Täufer sind namentlich bekannt. Die Stadt gehörte also neben Straßburg zu den Orten, in denen die Täufer von der Obrigkeit in einem gewissen Maße toleriert wurden. Diese Linie wurde auch von Lachmann geteilt.

Weniger tolerant waren die Heilbronner aber zu den Juden. Nachdem ihnen schon im 15. Jahrhundert verboten worden war, in Heilbronn zu wohnen, erging 1523 ein Beschluss, Juden auch als Händler den Zutritt zur Stadt zu verwehren. Überall, wo die Reformation Fuß faßte, verstärkte sich leider auch die Judenfeindschaft. Dies gehört zu den lange ignorierten Schattenseiten der Reformationsgeschichte.

In vielen Orten, die sich der Reformation anschlossen, entstanden Katechismen. Das waren kurzgefasste Lehrbücher des christlichen Glaubens für den Schul- und Hausgebrauch. Im Auftrag Lachmanns schuf 1528 der Lateinschullehrer Kaspar Gräter ca. 1501-1557 für Heilbronn ein solches Werk, das zu den frühesten reformatorischen Katechismen zählt. Gräter stammte aus Gundelsheim am Neckar, hatte in Heidelberg studiert, war Hauslehrer bei Dietrich von Gemmingen gewesen und 1527 auf Empfehlung von Brenz als Lehrer nach Heilbronn gekommen. Bereits 1534 verließ er allerdings Heilbronn wieder und wurde Pfarrer im württembergischen Herrenberg. Zuletzt war er Hofprediger bei Herzog Ulrich 1487/1498-1550 und damit einer der führenden Theologen des Herzogtums Württemberg.

Gräters Katechismus ist ein eindrucksvolles Dokument aus der frühen Heilbronner Reformationsgeschichte.(10) Er beginnt mit der Frage "Bist du auch ein Christenmensch?" Das Kind antwortet mit einem kurzen und klaren "ja" und verweist als Begründung auf die Taufe. Durch die Taufe gehört man zu Christus! Das ist ein hilfreicher, tröstlicher Gedanke, wenn einen Zweifel überkommen, ob man denn ausreichend glaube und wirklich christlich lebe. Auf den einleitenden Teil folgt im Katechismus die ausführliche Erklärung der Zehn Gebote. Die Vorschrift, den Feiertag zu heiligen, erklärt Gräter folgendermaßen: "Du sollst stillehalten und warten, was Gott aus dir machen will, dass dein Herz an Gottes Willen hange ..." Nicht die Arbeitsruhe und nicht der Gottesdienstbesuch, sondern die innere Hinkehr zu Gott sind entscheidend. Das Verbot zu töten wird so erläutert: "Du sollst still und sanft sein gegen jedermann, keinen Zorn gegen deinen Nächsten in keinerlei Weise zeigen." Gott will also nicht nur, dass wir aufs Töten verzichten, sondern er erwartet von uns ein Leben in der Liebe. Nach der Erklärung des rechten christlichen Lebens wird vom Glauben gehandelt. Gräter definiert: "Der Glaube ist ein wahrhaftiges, herzliches Vertrauen auf die einige Zusage Gottes, die uns durch Christum Jesum gegeben wurde, oder eine lebendige Zuversicht in die Barmherzigkeit Gottes, die uns verheißen und reichlich erwiesen wurde in Christo Jesu." Im christlichen Glauben geht es also nicht um ein Fürwahrhalten biblischer Berichte und um ein Nachsprechen kirchlicher Bekenntnisse, sondern um ein lebendiges Vertrauen in Gott. Ansprechend, auch heute noch, ist Gräters Erklärung des Gebets: "Das Gebet ist ein geistliches und wahrhaftiges Seufzen zu Gott und eine herzliche Klage aller anliegender Not des Leibs und der Seele."

Der Heilbronner Katechismus wurde 1530 noch einmal gedruckt, geriet dann aber bald außer Gebrauch. Wie beinahe überall setzten sich auch in Heilbronn die Katechismen von Luther und Brenz durch und verdrängten die anderen völlig.

Ein wichtiger Aspekt der Reformation war die Erneuerung des Gottesdienstes. Heilbronn schuf sich eine eigene Gottesdienstordnung, die mehrfach verändert wurde.(11) Um das Jahr 1530 war ein evangelischer Gottesdienst in Heilbronn ganz schlicht. Im Zentrum stand die Predigt, die etwa eine Stunde dauerte. Das war lange, aber die Menschen konnten damals noch zuhören und sich konzentrieren, weil sie noch nicht unter Reiz- und Informationsüberflutung litten. Vor und nach der Predigt gab es Gesang, zu dem die Lateinschüler der Stadt beitrugen. Abendmahl wurde alle vierzehn Tage nach der Predigt gefeiert. Es wurde in der Form von Brot und Wein gereicht, zuerst den Frauen, dann den Männern. Zur Vorbereitung auf die Abendmahlsfeier fand für diejenigen, die teilnehmen wollten, am Samstag vorher nachmittags um fünf Uhr ein Vorbereitungsgottesdienst statt, bei dem es die Gelegenheit zum seelsorgerlichen Gespräch mit den Pfarrern, also die Möglichkeit einer evangelischen Beichte, gab.

Gottesdienste fanden nicht nur sonntagvormittags statt. Auch nachmittags wurde an den Sonntagen gepredigt. Außerdem haben die Pfarrer in der Kirche noch Katechismusstunden angeboten, für Mädchen und Jungen getrennt. Wochentags gab es täglich am frühen Morgen einen Gottesdienst, in dem die Predigt nur eine halbe Stunde dauerte. Getauft wurde morgens um neun und nachmittags um vier Uhr. Trauungen fanden morgens um acht Uhr statt. Insgesamt waren damals in Heilbronn acht Pfarrer und Diakone tätig, um die Gemeinde zu betreuen.

1532 und dann noch einmal 1543 wurde die Heilbronner Gottesdienstordnung revidiert.(12) Unter dem Einfluss Schwäbisch Halls setzte sich eine Liturgie durch, die sich an Luthers Deutsche Messe anlehnte, liturgisch reichhaltiger war und mehr Gemeinsamkeiten mit der katholischen Tradition hatte als der Heilbronner Gottesdienst von 1530 oder der württembergische nach 1534. Zum Gottesdienst im evangelischen Heilbronn gehörte nun wieder das Kyrie Eleison und das Gloria in excelsis, aber die ausführliche Predigt stand immer noch im Zentrum.

In ihre größte Krise geriet die Heilbronner Reformation durch den Schmalkaldischen Krieg 1546.(13) Heilbronn war nach Jahren des Zögerns 1538, nachdem Lachman gestorben war, dem Schmalkaldischen Bund, einem militärischen Verteidigungsbündnis der evangelischen Reichsstände, beigetreten. Lachmann hatte immer an der Auffassung festgehalten, Widerstand gegen den Kaiser widerspreche der göttlichen Ordnung und dem natürlichen Recht. In einem Gutachten erklärte er den Stadtvätern: "Falls je der Kaiser uns verfolgen will, ja erwürgen, wenn wir's mit guten und christlichen Mitteln nicht umgehen können, sollen wir's mit Geduld tragen und leiden. Gott wird uns wohl rächen."(14)

Heilbronn unterstützte 1546 nach Kriegsausbruch die evangelischen Reichsstände mit Geld im Kampf gegen den Kaiser und seine Verbündete. Doch die Protestanten wurden rasch geschlagen. Am 24. Dezember 1546 zog der siegreiche Kaiser mit seinem Gefolge in Heilbronn ein. Da Karl V. an Gicht litt, ließ er sich in einer Sänfte tragen. In den zwanziger Jahren hätte die Bevölkerung beim Anblick des hohen Gastes gejubelt, nun gab sein Kommen Anlass zur Sorge. Der Stadt wurde eine Geldbuße von 20.000 Gulden auferlegt, und es wurden spanische Truppen in Heilbronn stationiert. Am 18. Januar 1547 huldigte die Heilbronner Bürgerschaft dem Kaiser auf dem Rathausplatz. Anschließend reiste er weiter.

Für Heilbronn begann eine schwere Zeit. Im März 1548 wurde auf den Prediger Molther, als er in der Franziskanerkirche auf der Kanzel stand, von einem spanischen Soldaten geschossen. Zum Glück ist dem Pfarrer nichts passiert, aber die Warnung hat er verstanden. Der Reichstag, der 1548 in Augsburg zusammentrat, erließ ein Religionsgesetz, das die reformatorischen Neuerungen weitgehend rückgängig machen sollte und auch tatsächlich erheblich zurückdrängte. Am 5. Juni 1548 nahm Heilbronn fast einstimmig das kurz "Interim" genannte Gesetz an. Die Stadtväter hatten angesichts der politischen und militärischen Lage keine Alternative. Jeder Widerstand hätte für die Freie Reichsstadt das Ende bedeutet. Am 10. Juni hat Molther die neuen Bestimmungen von der Kanzel verkündigt. Zwei Tage später wurden in Heilbronn wieder katholische Messen gelesen. Vier Jahre lang blieb die Lage für die Evangelischen kritisch. Pfarrer Dohl, der seit 1520 in Heilbronn wirkte und 1528 den Heilbronnern das erste evangelische Abendmahl gespendet hatte, wurde 1549 ausgewiesen. Im Januar 1552 musste Bürgermeister Riesser nach vierzig Dienstjahren, ebenfalls wegen seiner standhaften evangelischen Gesinnung, aus seinem Amt scheiden. Schon bald darauf, spätestens 1554, ist er gestorben. Neben Lachmann war er der bedeutendste Mann der Heilbronner Reformation.(15) Der Heilbronner Katechismus ist ihm gewidmet. Kurz nach dem Rücktritt Riessers kam für die Evangelischen die Wende. In einem erneuten Krieg wurde der Kaiser 1552 besiegt. 1555 wurden im Augsburger Religionsfrieden die Anhänger des Augsburger Bekenntnisses reichsrechtlich anerkannt. Die evangelische Prägung Heilbronns war damit wiederhergestellt und gesichert.

Die Reichsstadt Heilbronn hatte ein enges Verhältnis zum angrenzenden Gebiet des seit 1534 evangelischen Herzogtums Württemberg. Die Heilbronner Gottesdienstordnung von 1530 beeinflusste, wie vermutet wird, die württembergische von 1536. Wie Württemberg war auch Heilbronn Teil der lutherischen Reformation, während die nahe gelegene Kurpfalz 1563 calvinistisch wurde. Heilbronner Bürgerssöhne, die Pfarrer werden wollten, studierten deshalb später in der Regel in Tübingen Theologie und nicht mehr wie früher in Heidelberg.

Bis 1802 gab es in der Freien Reichsstadt Heilbronn ein eigenständiges evangelisches Kirchenwesen. Die Neuordnung Deutschlands als Folge der französischen Kriegszüge, bestätigt durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 und den Wiener Kongress 1815, bereitete dieser Kirche ein Ende. Die von Lachmann begründete evangelisch-lutherische Kirche Heilbronns wurde der evangelisch-lutherischen Kirche Württembergs angeschlossen.

Aktualisiert am: 19.03.2018