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Von: Kienzle, Claudius
Inhaltsverzeichnis
Albert Bacmeister (1845-1920)
1: Familienverhältnisse
V Christoph Heinrich Wilhelm Bacmeister (1795-1863), Notar. M Heinricke Caroline geb. Neuffer (1808-1855). G Reinhold (im Alter von zwei Wochen verstorben), Karl Eugen, Ottilie Ernestine Luise, zwei Halbbrüder: Julius, Eduard. °° Luise Auguste geb. Gantz (*1845) am 21.05.1872 in Öhringen. K Walter, Richard (Zwillingsbrüder, R. stirbt einjährig).
2: Biographische Würdigung
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Albert Bacmeister (1845-1920)
Fotograf: H. Brandseph, Stuttgart. Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung, Nr. 462
Die Kindheit des am 25. Oktober 1845 in Neckartailfingen (OA Nürtingen) geborenen B. war von häufigen Ortswechseln geprägt, die durch den väterlichen Notarberuf bedingt waren. Blieb die Familie trotz der ersten Versetzung des Vaters nach Köngen zunächst in Neckartailfingen, folgten sie diesem wenige Jahre später nach Weilheim/Teck, von wo aus der junge B. die Lateinschule in Kirchheim/Teck besuchte. Nach dem frühen Tod der Mutter 1855 und der Beförderung des Vaters zum Gerichtsnotar in Nürtingen 1859 wurde B. als Hospes – die Aufnahmeprüfung, das Landexamen, hatte er nicht bestanden – ins Seminar Maulbronn aufgenommen. Wenige Monate bevor er 1863 die Konkursprüfung, die ihm die Aufnahme ins Evangelische Stift in Tübingen ermöglichte, ablegte, starb auch sein Vater. In der Folgezeit klagte B. über häufige Kopfschmerzen und rezidivierende Krampfanfälle. Dieses epileptische Anfallsleiden schränkte ihn im Laufe seines Studiums und Berufslebens immer wieder ein und kam erst in hohem Alter zum Erliegen.
An der Universität trat B., dessen Großvater bereits Pfarrer gewesen war, der Burschenschaft "Tübinger Königsgesellschaft Roigel" bei. Er hörte vor allem den Dogmatiker Maximilan Landerer (1810-1878), der für seine Vermittlungstheologie bekannt war, sowie dessen Schüler, den Kirchenhistoriker Carl Weizsäcker (1822-1899), der eine eher kritische Theologie lehrte. Zugleich besuchte er Vorlesungen des Literaturwissenschaftlers und Freundes von David Friedrich Strauß, Friedrich Theodor Vischer (1807-1887), mit dem er noch nach dem Studium in brieflichem Kontakt stand.
Nach der ersten theologischen Dienstprüfung, die er krankheitsbedingt erst 1868 ablegte, wurde er durch den Balinger Dekan Karl Ludwig Heinrich Haug, in dessen Kirchenbezirk er als Pfarrverweser amtierte, ordiniert. Weitere Dienstorte führten ihn in die Nähe seines Geburtsortes nach Mittelstadt und Großbettlingen. Die Gemeinde Oberensingen verlieh dem eltern- und heimatlosen B. 1869 das Bürgerrecht.
Den Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs erlebte er als Pfarrverweser in Wangen im Allgäu. Sofort richtete B., der im Krieg gegen Österreich 1866 zwar ausgehoben, aber nicht mehr einberufen worden war, eine „flehentliche“ – aber gleichwohl unberücksichtige – Bitte an die Kirchenleitung, ihn für den Kriegsdienst freizustellen oder ihn wenigstens als Felddiakon abzuordnen. Wenig später sah er sich in der Allgäuer Diaspora öffentlichen Anfeindungen des katholischen Stadtpfarrers ausgesetzt und bat gekränkt um Versetzung. Erst nachdem er sich der überkonfessionellen Solidarität der städtischen Ehrbarkeit versichert hatte, erklärte er sich bereit, zu bleiben.
Gleichwohl beorderte ihn die Kirchenleitung kurze Zeit darauf als Pfarrverweser nach Braunsbach ins Hohenlohische, von wo aus er mit Hinweis auf seine labile Gesundheit die Zulassung zur zweiten theologischen Dienstprüfung forderte. Ausschlaggebend dürfte jedoch der Wunsch nach einer eigenen Pfarrstelle und damit nach ökonomischer Absicherung gewesen sein. Das Konsistorium entsprach seiner wiederholten Eingabe nicht, sondern betraute ihn im April 1871 mit der Vertretung der Pfarrstelle in Schlaitdorf. Dort hoffte B. erneut auf eine ständige Anstellung und mobilisierte die Gemeinde zunächst erfolgreich gegen eine weitere Versetzungsanordnung. Anfang 1872 legte er das zweite Examen ab, in dessen schriftlichen Teil er sich schwerpunktmäßig mit religionspädagogischen Fragestellungen auseinandersetzte. Dabei plädierte er für eine Professionalisierung von Geistlichen im Hinblick auf ihre Funktion als Religionslehrer und Schulaufseher und forderte Kenntnisse in Psychologie, Didaktik, Methodik, Rechtskunde und Gesundheitspflege. Nach Übertragung der Patronatspfarrstelle Niederstetten heiratete er 1872 Auguste Gantz.
In Niederstetten beschäftigte sich B. weiter mit pädagogischen Fragen und verfasste zu innerkirchlichen Fortbildungszwecken mehrere Aufsätze, mit denen er seine 1875 erstmals veröffentlichte Biblische Geschichte vorbereitete. Da die Bibel die alleinige Grundlage für den schulischen Leseunterricht war, stellte B. in dem Lehrbuch, die wesentlichen (heils)geschichtlichen Texte des Alten und Neuen Testaments in didaktisch sinnvollen Abschnitten zusammen. Neu war dabei, dass nun nicht mehr der eigentliche Bibeltext verwendet werden sollte, sondern dass B. versuchte, kindgerechter zu formulieren und auf eine Textgliederung in Verse verzichtete. Bis 1919 erfuhr das Lesebuch zehn verschiedene Auflagen, die unterschiedliche Stofffülle aufwiesen und zunehmend auch als Geschichtsbuch für die Zeit des Frühchristentums betrachtet werden kann. Über diese publizistische Beschäftigung mit religionspädagogischen Fragen hinaus war B. auch 18 Jahre lang als Direktor der Schulkonferenz in den Kirchenbezirken Blaufelden und Öhringen und als Mitglied der Kommission für das biblische Lesebuch in der Lehrerfortbildung tätig.
Das Pfarramt in Niederstetten befriedigte B. nur bedingt. Bereits drei Jahre nach seiner Ernennung zum dortigen Pfarrer und ein Jahr nach der Geburt seiner Zwillingssöhne, von denen einer nach wenigen Monate starb, bewarb er sich 1875 aus nationalliberaler Gesinnung und in „glühe[ndem] Verlagen“, aber erfolglos, um eine Divisionspredigerstelle. Stattdessen wurde er ab 1879 Stadtpfarrer von Öhringen und konnte als Archivar des Hauses Hohenlohe sowie im „Historischen Verein für württembergisch Franken“ seinen wissenschaftlichen Interessen nachkommen. Diese veranlassten ihn an einem Preisausschreiben der gerade gegründeten holländischen „Teylers Fundatie“ in Haarlem teilzunehmen. Seine daraus entstandene Arbeit über die ethische Prinzipienlehre in Eduard von Hartmanns (1842-1906) Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins reichte er 1882 bei dem Pessimismusexperten Edmund Pfleiderer (1842-1902) in Tübingen als philosophische Dissertation ein.
In den folgenden Jahren setzte B. seine wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit fort. Er publizierte zahlreiche Aufsätze in der Protestantischen Kirchenzeitung für das evangelische Deutschland, dem theologischen Literaturblatt, der Allgemeinen Evangelischen-lutherischen Kirchenzeitung, den deutsch-evangelischen Blättern, den Blättern für Württembergischen Kirchengeschichte sowie dem kirchlichen Anzeiger in Württemberg.
Nachdem ihm 1889 die Dekanstelle in Geislingen übertragen worden war, zog er sich nur sieben Jahre später von dieser Führungsposition zurück und übernahm die Stelle des Ludwigsburger Garnisonspredigers. Damit verschaffte er sich jedoch gute Kontakte zum Herrscherhaus und zum Regierungsapparat, die später zu zahlreichen Ehrungen bis hin zur Verleihung des Titels Oberkirchenrat führten. Ihm gelang es, nicht zuletzt durch manipulativen Medieneinsatz – er verfasste im Schwäbischen Merkur einen anonymen Artikel, der den vorliegenden Architektenentwurf scharf kritisierte – den Neubau der Ludwigsburger Garnisonskirche voranzutreiben, die 1903 eingeweiht wurde. Bereits während der Bauphase hatte sich B. um die Dekanstelle in Ludwigsburg beworben, die ihm erst im zweiten Anlauf 1904 übertragen wurde und die er bis zu seiner Pensionierung 1917 innehatte.
In seiner Ludwigsburger Zeit setzte er seine religionspädagogische Tätigkeit fort und leitete die Fortbildungskurse der Predigtamtskandidaten für Religionsunterricht. Zugleich war er ab 1896 als Vorstand der Ludwigsburger Kinderverwahranstalt, der Charlottenkrippe, ab 1899 als Vorstand des „Vereins zur Unterstützung des Württembergischen Lutherstifts“ für Pfarrsöhne sowie ab 1904 als stellvertretender Verwaltungsratvorsitzender der „Evangelischen Kinder- und Brüderanstalt Karlshöhe“ im sozialen Bereich aktiv. Er engagierte sich zudem in der pfarrerlichen Standesvertretung, dem „Evangelischen Pfarrverein in Württemberg“. Anknüpfend an seine frühere Mitgliedschaft in der Landessynode kandidierte B. 1912 für den Wahlbezirk Öhringen – eine Kandidatur im eigene Kirchenbezirk war ihm laut Wahlgesetz versagt – und war dort stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für das Spruch- und Liederbuch sowie Sprecher einer Mittelpartei. Bereits 1888-1897 war er für verschiedene hohenlohische Kirchenbezirke Abgeordneter im Kirchenparlament, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsordnungskommission sowie geistlicher Ersatzmann für den Synodalausschuss, dem höchsten Gremium zwischen den ordentlichen Tagungen der Synode.
B. stand der liberalen Theologie nahe. Er beteiligte sich gegen den Widerstand der Kirchenleitung 1910 gemeinsam mit seinem Freund Theobald Ziegler, dem Biografen des umstrittenen Protagonisten der liberalen Theologie, David Friedrich Strauß, an der Einweihung eines Denkmals für diesen im Ludwigsburger Schlossgarten. Über beide verfasste B. biografische Abrisse im Staatsanzeiger für Württemberg. In seinen biblischen Geschichten versuchte er, vor allem in den späteren Auflagen, die Geschichte des Urchristentums nicht etwa heilsgeschichtlich zu deuten, sondern chronologisch zu präsentieren. Trotz seiner nationalliberalen Einstellung blieb er ein zuverlässiger Verfechter der Monarchie. In seinem Buch über das württembergische Königshaus, das zugleich als eine Kultur- und Infrastrukturgeschichte Württembergs des 19. Jahrhunderts gelesen werden kann, äußerte er zwar Sympathien für die Revolutionsideen von 1848, zeigte sich jedoch letztlich als kaisertreuer Befürworter der kleindeutschen Reichseinigung von 1871. Am 28. Juni 1920 verstarb er.
Erstabdruck in: Württembergische Biographien unter Einbeziehung Hohenzollerischer Persönlichkeiten. Band II. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg herausgegeben von Maria Magdalena Rückert, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart 2011. Wiederverwendung mit freundlicher Genehmigung.
Aktualisiert am: 04.06.2024
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Zitierweise
https://www.wkgo.de/cms/article/index/bacmeister-albert (Permalink)
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